Podiumsdiskussion am 24. Mai 2011 in der evangelischen Kirche Lebach

„Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir keine Menschen sind.“ Das sagte die zwanzigjährige Rafia Naseem aus Pakistan, als sie auf der Veranstaltung des Saarländischen Flüchtlingsrates, die am 24. Mai in der evangelischen Kirche in Lebach stattfand, ihre mittlerweile achtjährige Lebenserfahrung im Flüchtlingslager Lebach zusammenfasste. Die Kirche war an diesem Abend gut gefüllt. Rund 60 Zuhörer waren unserer Einladung gefolgt, um sich über die Situation im Flüchtlingslager Lebach zu informieren. Unter dem Motto: Alptraum Lager Lebach? – Perspektiven einer humanen Flüchtlingspolitik im Saarland“ diskutierten. Reinhard Schott von der evangelischen Landeskirche der Pfalz, Willi Mayer vom Caritasverband Trier, Peter Nobert vom Saarländischen Flüchtlingsrat sowie Samer und Rafia Naseem, Bewohnerinnen des Flüchtlingslagers Lebach. Das Ganze wurde von Thomas Gerber vom Saarländischen Rundfunk kurzweilig moderiert.

Zum Hintergrund: Im März 2010 organisierten Flüchtlinge im Lager Lebach Kundgebungen und einen Boykott der Lebensmittelpakete, um auf die Bevormundung durch die Verwaltung und ihre schlechte Versorgungs- und Aufenthaltssituation aufmerksam zu machen. Ende Mai 2010 fand dazu auch eine Anhörung im Saarländischen statt. Doch ein Jahr nach der Anhörung ist die Bilanz ernüchternd: Nach wie vor werden im Lager Lebach rund 900 Menschen zwangsweise untergebracht und wie bisher von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen.

Was das konkret bedeutet, ging aus den vielen Wortmeldungen der Flüchtlinge deutlich hervor: Jahrelange schlechte Verpflegung aus Lebensmittelpaketen, einen stark eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen und ein faktisches Arbeitsverbot. Ihr alltägliches Leben ist gekennzeichnet von Ausgrenzung und der Degradierung zum Objekt staatlichen Handelns. Viele hat der teilweise sehr lange Aufenthalt im Lager Lebach chronisch krank gemacht. Für die meisten ist aber das Schlimmste, dass ihr Leben keine wirkliche Perspektive hat. Und so wundert es nicht, dass manche der Zuhörerinnen und Zuhörer zu dem Urteil kamen, dass die Anhörung letztlich nur eine politische Alibiveranstaltung gewesen wäre.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vom Podium kam das klare Signal, dass die Zeit reif für Veränderungen sei, und dass diese im Interesse der Flüchtlinge und im Namen der Menschenwürde notwendig wären. So bekräftigten alle, dass statt der Lebensmittelpakete endlich eine Umstellung auf Geldleistungen erfolgen müsse, wobei Reinhard Schott (Evangelische Landeskirche) ausdrücklich betonte, dass diese in Höhe der Hartz-IV-Bezüge liegen müssten, denn Flüchtlinge, die in Deutschland nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Geld ausgezahlt bekommen, erhalten deutlich weniger als die im Hartz-IV-Regelsatz vorgesehenen 364 Euro. Auch die jahrelange Verweildauer im Flüchtlingslager, wie sie in Lebach üblich ist, wurde deutlich kritisiert. Unterschiede gab es allerdings in der Frage der zeitlichen Begrenzung. Willi Mayer (Caritas) sprach sich für höchstens ein Jahr aus, während Peter Nobert (SFR) drei Monate zur Erstorientierung für völlig ausreichend hält.

Während auf der einen Seite die Kritik am Lager Lebach also unvermindert anhält, spielt die saarländische Landesregierung auf Zeit und will ganz ofensichtlich an ihrer bisherigen Aufenthaltspolitik festhalten. Und so braucht es wohl weiterhin öffentlichen Druck und Proteste, damit Flüchtlinge im Saarland willkommen sind, wenn sie hier Schutz und Lebensperspektive suchen.

Saarbrücker Zeitung, 28. Mai 2011

Saarbrücker Zeitung, 26. Mai 2011

Flyer zur Veranstaltung